Manchmal klopfte ich in der Rathausstraße auch im Keller an die Tür der Team Beats und durfte zuhören. Die Team Beats waren schon eine lokale Größe
und gelegentlich mit Artikeln in der Tages-presse zu bestaunen – meistens Ankündigungen von ihren Konzerten irgendwo in Berlin.
Bei ihren Proben war der Keller schon einigermaßen voll mit Leuten, die gar nicht zur Band gehörten, wie ich.
Da war zu allererst mal der Schlagzeuger – Peter Butschkow, genannt Butschi. Nach meinen damaligen Maßstäben ein Wahnsinnstrommler! Was der da so zeigte
und auch gerade, wenn er mal sowas wie ein Schlagzeugsolo brachte, war schon höchste Qualitätsstufe. Das hörte sich deutlich anders an, als das übliche
Tsching-Peng-Bumm, das ich sonst so kannte!
Ich glaube inzwischen, dass er mich durch seine äußerst präzisen, wie ein mechanisches Uhrwerk ablaufenden, sehr rhythmischen Schlagzeugtöne, die sich auch
über viele verschiedene Trommeln mit unterschiedlichen Sounds erstreckten und manchmal auch unerwartete Breaks beinhalteten, nachhaltig für das Instrument
Schlagzeug begeisterte.
Ich fing dann auch bald an, mit beiden Händen auf beliebigen Unterlagen zu trommeln, meistens auf Tischkanten etc. und merkte, wie schwierig das bei
bestimmten Figuren doch war. Aber ich wurde besser und letztendlich half mir das auch, auf der Gitarre mit der rechten Hand schwierigere, rhythmische
Sachen hinzukriegen.
Meine Schüler haben mir später mal unter der Hand grinsend erzählt, dass sie sich oft genervt gefühlt hatten, wenn ich während einer Stillarbeitsphase
vorne am Lehrertisch vor mich hin getrommelt hatte...
Ähm.......
Weiter zu den Team Beats.
Da gab es noch einen Gitarrist, der auch Sänger war – „Ede“ Wolf und einen Sänger, der nur Sänger war – Henne Winterstein. Dazu kam Olaf Leitner am
Klavier und Joachim „Atze“ Gierloff an der Rhythmusgitarre. Wer Bass spielte weiß ich heute nicht mehr. Aber es gab noch den Manager der Band – Joachim Wilhelm,
genannt Kahli wg. seiner Geheimratsecken.
Sie hatten einen Manager! Das hatte ich vorher noch nicht erlebt.
Spielen taten sie aber das übliche, wie die Flying Stars und die anderen Bands auch. Trotzdem konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie etwas
besonderes waren – immerhin tauchten sie regelmäßig in der Presse auf, hatten einen Manager und sorgten auch für ausreichend Reklame (druckten eigene Plakate,
hatten eigene Visitenkarten etc.). Eine dieser Visitenkarten habe ich dann mal in die Hand gedrückt bekommen. Da stand drauf
Das machte schon einen gehörigen Eindruck!
Sie spielten nicht so sehr in Nachtbars, sondern viel häufiger in Jugendheimen und Beatschuppen in Berlin und auf Veranstaltungen von privat,
für die sie gebucht wurden (Ball der Fleischerinnung im Hilton Dachgarten oder Weihnachtsfeier der Brauerei soundso im Palais am Funkturm usw.). Da schien es
dann wohl auch mehr Gage zu geben, als für eine durchschnittliche Nachtbar-Rock'n'Roll Band bei den Amis.
Inzwischen hatte ich aber wenigstens genug Geld mit den Flying Stars verdient, dass ich mir endlich eine Fender kaufen konnte. Und da ich nun nicht mehr
der erste mit einer echten Stratocaster sein konnte – das war ja schon Achim Altstadt von den Country Stars – kaufte ich mir eine Fender Jazzmaster.
Die Jazzmaster war auch häufig neben der Strat in einigen Bands aus den USA zu sehen, also schien sie ja was wichtiges zu sein. Auch die Ventures spielten
mit einer Jazzmaster neben der Stratocaster.
Sie hatte die gleiche Sunburst-Lackierung, die ich schon von der Strat kannte, aber einen Korpus mit einer völlig anderen Form – mehr so schräg versetzt,
aber auch dem menschlichen Körper angepasst. Naja, ich hatte jedenfalls endlich eine Fender!
Irgendwann anfangs der Sechziger bekam ich einen denkwürdigen Brief, den die Team Beats alle heute noch wörtlich zitieren können:
„Wie wir gehört haben, spielen Sie die Melodie-Gitarre...“ - eine derart altmodische Formulierung, dass sie nur vom Manager der
Band so geschrieben worden sein konnte! Sie luden mich ein ins Jugendheim Rathausstraße zum Vorspielen! Mich!!
Dann war da noch eine Visitenkarte mit Berlin-Paris-Wien im Umschlag...
Ich war platt!
Die Band hatte sich wohl irgendwie verkracht und von ein paar Leuten getrennt. „Ede“ Wolf war nicht mehr in der Band und Henne Winterstein wohl nur noch
theoretisch – zumindest habe ich ihn nie mehr gesehen oder gehört.
Zum verabredeten Termin nahm ich meine Jazzmaster und erschien pünktlich zur Beschnupperungsprobe. Von meinen Besuchen her kannten wir uns ja zumindest
schon etwas; ich war also keine vollkommen fremde Person.
Sie benutzten diesmal einen sehr großen Raum des Jugendheims im ersten Stock – nicht mehr im Keller – mit langer Fensterfront. Es war taghell zum Üben – ganz ungewohnt. Das war auch der Raum, den Heinz von den Boots sonst immer für seine Schlagzeugübungen benutzt hatte.
Tja, wie ging das ganze los....
Es fiel oft der Satz „Kannste dit...?“ - dann spielten wir ein bisschen an Stücken herum, die eigentlich sowieso jeder kannte zur damaligen Zeit,
Stücke von den Shadows und den Ventures, also Instrumentals.
Klar, Henne und „Ede“ hatten vorher in der Band gesungen. Nun war kein Sänger mehr da. Also blieben nur die Instrumentals.
Ich hatte ja durch meine ständigen Übereien an den Shadows- und Ventures-Stücken so ein großes Repertoire an Instrumentals parat. Ich beherrschte damals
sage und schreibe über hundert Gitarren-Instrumentalstücke! Von Apache bis Quartermaster’s Stores und mehr.
Dann kam von Butschi die Frage „Kannste Bulldog?“ - eine Schicksalsfrage über die wir noch heute zusammen lachen.
Bulldog war ein Stück der Ventures – ein ganz simples Stück! Man musste um das spielen zu können eigentlich nicht viel auf der Gitarre können. Ungefähr so
wie bei Peter Gunn. Aber das Schlagzeug zu Bulldog war anspruchsvoll! Ein kleines Kunstwerk, wodurch dieses Stück überhaupt interessant wurde.
Butschi konnte hier zeigen, was er wirklich konnte und am Ende des Stückes blickte er dann zu den anderen der Team Beats und meinte „Den nehmen wir!“
Saaagenhaft!
Ich war nunmehr vollwertiges Mitglied der Team Beats!
in Rendsburg
Übrig von den ursprünglichen Team Beats waren nun noch – außer Butschi – Olaf und Atze. Was da mit der Stelle des Bassisten los war, habe ich irgendwie vergessen.
Atze spielt eine Strat! Sozusagen als Rhythmusgitarrist.
Die Frage „Wer singt?“ tauchte natürlich bald auf. Ich hatte „Ede“ Wolfs Stellung eingenommen, aber nur als Sologitarrist.
Gesungen haben wir als Kinder natürlich immer schon – Kinderlieder, Weihnachtslieder, Kirchenlieder auch am Lagerfeuer und später dann die neuesten
Rock'n'Roll-Stücke aus dem Radio. Aber das war nur so für uns, oder in Gemeinschaft mit anderen – nie sozusagen als Vorführung vor Publikum.
Atze, Olaf und ich probierten mal im Übungsraum zusammen oder einzeln zu singen – über Mikrofon und verstärkt aus allen Boxen, aber wir waren Anfänger
und hätten uns nicht mit den uns bekannten Sängern der Berliner Szene messen können.
Wir brauchten also unbedingt einen Bassisten und einen Sänger.
An einen Bassisten erinnere ich mich noch – Ronald Ratzke (aus dem Foto ist er mit Bass zu sehen). Wo und wie der zu den Team Beats gestoßen war,
weiß ich inzwischen nicht mehr - ich kannte ihn schon aus den Flying Stars-Zeiten, wo er ja auch auf dem Fotos zu sehen ist, aber er erfüllte seinen Job
an den tiefen Saiten.
Sänger haben wir mehrere gehabt und sozusagen ausprobiert, aber dabei konnte man auch schnell die Besonderheiten dieser Herrschaften kennenlernen: Sie waren
meistens exaltierte, Möchte-gern-Show-Menschen, die sich wenig um die Zwischenmenschlichen Dinge innerhalb der Band kümmerten. Unberechenbare Chamäleons meist
mit speziellen Macken.
Ätzend war z.B. wenn wir nach einem Konzert mitten in der Nacht schweißtreibend unsere Anlage abbauen, zum Bandbus tragen und verstauen mussten und ellenlange
Kabel sorgfältig zusammenlegen und in Kisten einordnen mussten usw. (einen Roadie hatten wir anfangs noch nicht!) und so ein Sänger dann gleich zu Beginn der
Abbauarbeiten kam mit „Ich hab meine Mikes. Ich geh dann mal. Tschüss Jungs!“
Dieser Joey H. Soundso – der Möchtegern-GI-Jerry Lee Lewis war auch eine Zeitlang unser Sänger. Wir mussten uns dann mit unserem Repertoire natürlich auf ihn
einstellen und mehr Jerry Lee-Sachen machen, aber okay. Das ging ganz gut.
Als wir zum Ball der Fleischerinnung im Hilton Dachgarten spielten, wurde Joey – der als Star natürlich ganz zuletzt ankam – vom „Kapitänleutnant“ unten am
Eingang des Hilton nicht hineingelassen. Er erschien nämlich mit gelbem Wollhemd, lila Hose, barfuß in Latschen, blauem Halstuch und ausgefranstem Strohhut
auf dem Kopf!
Unser Manager hat dann beschwichtigend auf beide eingeredet und Joey durfte letztendlich auch irgendwann passieren.
Auf den ständig brechend vollen Konzerten im Schützenhof Rendsburg wurde Joey allerdings – das muss man ihm auch zugute halten – vom Publikum mit tosendem
Beifall auf deren Rücken durch den Saal getragen.
Rendsburg war sowieso ein Thema für sich. Der Wirt des dortigen Schützenhofes (mit großem Saal für Veranstaltungen) muss sich damals dumm und dämlich an uns
verdient haben. Da wir als West-Berliner ja ungerne mit der ganzen Anlage durch die Zone fuhren und für ein einziges Wochenende nach Rendsburg und zurück sowieso
nicht, bezahlte er Hin- und Rückflug mit kompletter Anlage als Übergepäck nach Hamburg, wo er uns dann mit mehreren PKWs abholte.
Ich weiß noch, dass er mal beim Verstauen der Echolette-Boxen in seinem Mercedes-Kofferraum die Kofferraumklappe nicht mehr ganz schließen konnte und er dann mit
Gewalt die Klappe zuschmiss. Das hatte zur Folge, dass eine Ecke Blech mit abgesplittertem Lack an einer Seite der Kofferraumklappe zu sehen war, was er mit
„Macht nichts“ quittierte! Er hieß Herr Looft (so'n Typ Meister Schurich) und meldete sich am Telefon auch immer mit „Schützenhof, Looft“, was wir immer mit
„Das glauben wir Ihnen gerne!“ oder vergleichbaren Bemerkungen beantworteten. Er hat das aber nie so richtig verstanden.
Rendsburg war auch meine erste große und denkwürdige Veranstaltung mit den Team Beats. Ich kann mich heute noch gut daran erinnern.
Wir kamen mit besagtem Treck aus Hamburg an und verstauten den ganzen Kram auf der Bühne und in unseren Zimmern, machten Soundcheck und schlenderten dann durch
Rendsburg. Natürlich ohne Joey, der wieder am Malen und zeichnen war und sich für sonst nichts interessierte.
Unterwegs begegneten wir einigen Mädels – Team Beats-Fans wie sich bald herausstellte - die die Band schon von früheren Konzerten kannten. Und wir wurden
angehimmelt! Das hatte ich bis dahin noch nicht erlebt!
Mein Entschluss von damals, Gitarre zu lernen, schien sich langsam zu amortisieren!
Die Anhimmeleien summierten und steigerten sich noch im Laufe des Tages und vor allem während des Konzerts und der Konzertpausen, so dass ich mich irgendwie
beschwingt, getragen und sehr wichtig zu fühlen begann. Selbst vom männlichen Teil des Publikums wurden wir bewundert und mit Schulterklopfen in den Pausen
unten auf der Tanzfläche begrüßt.
Ich war ja gerade siebzehn und meine Oma Ella hatte vorher noch (hinter meinem Rücken!) beim Manager angerufen und ihn gebeten, ein bisschen auf mich
aufzupassen u.a. mit dem Satz „...wenn so ein Siebzehnjähriger mal über Land geht!“
Dieser Satz verfolgte mich dann auch von diesem Tag an durch die komplette Team Beats-Zeit! Immer wenn ich mal wieder mit irgendeinem Groupie in irgendeinem
Hotelzimmer oder sonstwo verschwunden war, hörte ich von irgendeinem der Team Beats aus dem Off, von vor der Tür oder aus dem Nebenzimmer den Satz „Jaja,
wenn so ein Siebzehnjähriger mal über Land geht!“